Die Erwerbung der Sammlung Reiner Winkler mit über 200 Skulpturen aus Elfenbein stellte eine große Freude, aber auch eine logistische Herausforderung für das Liebieghaus dar. Kuratorin und ehemalige Sammlungsleiterin Dr. Maraike Bückling erzählt, wie in kurzer Zeit Katalog und Ausstellung entstanden.
Nach dem Tod Reiner Winklers (1925–2020) wurde die Elfenbeinsammlung mit der Ausstellung „Splendid White“ (2. Juni 2022 bis 8. Januar 2023) komplettiert und ist nun als dauerhafte Sammlungspräsentation im Liebieghaus zu sehen.
Es war ein heißer Sommertag im Juli 2018, als das Liebieghaus einen in seiner Geschichte einzigartigen, großen Moment erlebte: Der Sammler Reiner Winkler und der Vorsitzende der Städel-Administration, Prof. Nikolaus Schweickart, unterzeichneten den Vertrag über die Überlassung der Sammlung Winklers von über 200 Elfenbeinwerken an das Städel zur Aufstellung im Liebieghaus – zum größten Teil als Schenkung. Diesen Schritt hatte Reiner Winkler bereits vor ungefähr 20 Jahren erwogen – nun war es soweit. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung wurde festgelegt, dass die Sammlung im Frühjahr 2019 der Öffentlichkeit präsentiert werden sollte, mit der Ausstellung „White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer.“.
Damit hatten wir bis zur Eröffnung nur ungefähr ein Drittel der normalen Vorbereitungszeit einer Ausstellung zur Verfügung. Es war uns bewusst, dass es knapp werden würde, sowohl die Präsentation der Objekte als auch den Katalog rechtzeitig fertig zu bekommen. Nur durch das Teamwork aller Kolleginnen und Kollegen von Liebieghaus und Städel war dies zu leisten.
Zunächst mussten die circa 190 Werke der Elfenbeinsammlung aus dem Sammlungsraum Reiner Winklers in das Liebieghaus transportiert werden. Im Vorfeld wurden Transportkisten angefertigt, die den Schutz der klima- und erschütterungsempfindlichen Elfenbeine garantierten. Für kompaktere und stabilere Elfenbeinschnitzereien wurden sogenannte „Formbetten“ aus speziellem Schaumstoff passgenau zurechtgeschnitten. Filigrane und zerbrechliche Werke wie beispielsweise das Herzstück der Sammlung, die „Die Furie auf sprengendem Pferd“, konnten nur punktuell mit gepolsterten Halterungen in der Kiste fixiert werden. Die Verpackung solcher konservatorisch heikler Kunstwerke ist sehr arbeits- und zeitintensiv. Drei Arbeitskräfte waren für circa eine Woche damit beschäftigt, alle Elfenbeinobjekte sachgemäß zu packen.
Transportkiste der „Furie auf sprengendem Pferd“
Sämtliche Sammlungsstücke kamen wohlbehalten im Liebieghaus an und wurden umgehend ins Depot gebracht. Es waren begeisternde Tage, während derer wir die Stücke auspackten, in Händen hielten und dabei immer neue großartige Kompositionen und Details entdeckten. Dieser intensive Umgang mit den Elfenbeinwerken sollte für die Zeit bis zu ihrer Aufstellung charakteristisch bleiben. Manchmal, wenn der Stress einmal mehr überhandzunehmen drohte, ging ich ins Depot, um mir Kunstwerke – mal die Porträts und Kombinationsfiguren, mal Werke mit biblischen oder antiken Themen, mal Gefäße, Arbeiten verschiedener Künstlerfamilien oder auch aus diversen Kunstlandschaften – anzusehen und mich danach wieder mit neuem Schwung an die Arbeit zu machen. Zugleich begannen die Planungen für die spätere Montage in den Vitrinen: Für jedes Werk wurde von einem Spezialisten eine jeweils passgenaue Halterung hergestellt.
Passgenaue Halterung für die Montage in den Vitrine
Während des Transports und der Vorbereitung der Montage mussten wir auch zugleich die Ausstellung und den Katalog entwerfen, denn die Zeit war ja sehr knapp bemessen. Der Katalog sollte weniger einen wissenschaftlichen Charakter erhalten, sondern vielmehr ein „Prachtband“ sein. Neben den Katalogtexten war es ebenso wichtig, die für den Katalog notwendigen Fotografien anzugehen. Gemeinsam mit dem Fotografen Horst Ziegenfusz tasteten wir uns allmählich an die besondere Art, diese grandiosen Werke zu fotografieren, heran. Es ging uns nicht um sachlich-nüchterne Aufnahmen, sondern darum, den jeweiligen, einzigartigen Gehalt herauszuarbeiten, die sie auszeichnende Dramatik, die Emotionalität, den Liebreiz, die Detailliertheit zu betonen und, im wahrsten Sinne des Wortes, zu „beleuchten“. Wieder rückte jedes Relief, jede Statuette, jedes Gefäß einzeln in den Blick und musste konzentriert betrachtet werden, um den Standpunkt, von dem aus fotografiert wurde, festzulegen. Auch dabei fielen wieder Details auf, die uns überraschten und faszinierten.
Ein solches Detail waren zum Beispiel kleine Fischlein an einer Deckelkanne von Balthasar Grießmann. Hier gibt es einen kleinen Puttenfries, der ungefähr zwei Zentimeter hoch ist und im Wasser spielende und jagende Putten zeigt. Einer von ihnen hat auf seinem winzigen Speer Fische aufgespießt, die circa zwei Millimeter groß sind und Ritzungen erkennen lassen, die die Schuppen andeuten. Es gibt in der Sammlung eine solche Vielzahl an dramatischen, hinreißenden und ergreifenden Details, dass es gelegentlich schwer war, eine Auswahl für die Publikation zu treffen.
Puttenfries der Deckelkanne von Balthasar Grießmann
Parallel dazu begann das Architektenteam BachDolder mit der Vorbereitung der Ausstellungsarchitektur, für die einige Räume im Liebieghaus völlig umgestaltet wurden. Währenddessen reinigte der Leiter der Restaurierung Harald Theiss, unterstützt von seinem Mitarbeiter Miguel González de Quevedo Ibáñez, einige Stücke, um sie in ihrem Aussehen zu optimieren. Noch drei Tage vor der Eröffnung konnte die „Eva“ des Furienmeisters von dem in die Elfenbeinritzen gelangten Staub befreit werden. Sie empfängt die Besucherinnen und Besucher nun als in ihrer Schönheit strahlende Figur mit einer Geste, die als einladend verstanden werden kann. Wir möchten unsererseits dazu einladen, sich insbesondere die Rückseite mit dem lang herabfallenden Haar anzusehen.
Eva des Furienmeisters in der Ausstellung
Schließlich waren der Katalog und die Broschüre gedruckt und die Vitrinen aufgestellt. Die grandiosen Elfenbeinbildwerke nahmen ihre Plätze ein. Eine aufregende Zeit: Kommen die Objekte so zur Geltung, wie wir uns dies vorgestellt haben? Stimmen die Vitrinen, passen die Werke in den Vitrinen zusammen oder müssen wir einzelne Skulpturen anders positionieren?
Es blieben zwei Wochen bis zur Eröffnung. Für die Aufstellung von 190 Objekten, zu denen auch Werke des Liebieghauses gehörten, war dies ein weiteres Mal knapp kalkuliert. Zumal auch mehrere Tage für das Einrichten der Beleuchtung vorgesehen waren. Und dennoch konnten wir auch in dieser Zeit immer wieder einzelne Stücke bewundern und uns gegenseitig immer wieder auf neu entdeckte Details hinweisen. Es waren zugleich äußerst anstrengende und äußerst beglückende Wochen.
Einblick in die Ausstellung
Es kam der 26. März 2019 und damit die Eröffnung der Ausstellung „White Wedding“. Bereits früh trafen der Sammler Reiner Winkler und seine Tochter Dr. Annette Winkler ein, welche uns den ganzen Tag begleiteten. Es war ein bedeutsamer Tag in der Geschichte des Museums und der wichtigste Tag meines Berufslebens.