Wieder zu sehen:
Hans Multschers Dreifaltigkeitsrelief

Vier im Liebieghaus restaurierte Kunstwerke sind seit kurzem wieder in den Ausstellungsräumen der Mittelaltersammlung zu sehen. In einer dreiteiligen Serie stellt Dr. Stefan Roller, Leiter der Sammlung Mittelalter, die skulpturalen Arbeiten vor. Den Anfang macht die zeitlich und methodisch aufwändigste Restaurierung eines der Starstücke der Sammlung.

Das aus Alabaster geschnitzte und partiell polychromierte Relief mit der Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit, das dem in Ulm tätigen Bildhauer Hans Multscher (um 1400–1467) zugeschrieben wird, entstand nach neuesten Erkenntnissen um 1450, nicht schon um 1430, wie bislang gedacht. Dargestellt ist Gottvater, der dem Betrachter mit Hilfe eines Engels seinen toten, von Passion und Kreuzigung gezeichneten Sohn präsentiert. Eine fliegende weiße Taube scheint Schultern und Brust Gottvaters zu entspringen und berührt mit dem Schnabel das Haupt Christi. Alle drei sind also eng miteinander verbunden und verbildlichen damit eine zentrale Vorstellung christlicher Theologie, die man vereinfacht so ausdrücken kann: Der christliche Gott ist zwar ein Wesen; dieses besteht aber aus Gottvater, dem Schöpfer aller Dinge, seinem Sohn Jesus Christus und einer spirituellen Kraft, dem Heiligen Geist, dargestellt als Taube. Man nennt dies die Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit oder Trinität.

Form & Farbe

Multscher übertrug dieses theologisch hochkomplexe Gebilde in ein formal dichtes, aber dennoch klar lesbares Kunstwerk. Das verwendete weiche Material, Alabaster, ermöglichte ihm dabei eine ungemein feine und detailreiche Ausführung. Das verdeutlichen insbesondere die virtuos geschnitzten, ausdrucksstarken Köpfe. Das Frankfurter Relief gehört mit zum Besten, was die europäische Bildhauerkunst aus der Mitte des 15. Jahrhunderts hinterlassen hat. Nicht unerheblich trägt zu seiner Bedeutung bei, dass große Teile der originalen Polychromie erhalten geblieben sind. Plastische Form und farbiges Finish greifen hier auf das Engste gleichberechtigt ineinander.

Letzteres aber war bis vor Kurzem kaum nachvollziehbar. Schmutz, entstellende Überzüge und Farbreste späterer Übermalungen erschwerten die Lesbarkeit des Originalbestandes enorm, und dieses unansehnliche Erscheinungsbild war der künstlerischen Qualität des Reliefs zweifellos nicht angemessen. Eine Restaurierung schien daher unumgänglich. Vor Kurzem wurde sie durch Harald Theiss und Miguel González de Quevedo Ibáñez abgeschlossen, und die kleine 30 cm hohe Schnitzerei ist nach mehreren Jahren der Abwesenheit wieder aus den Restaurierungsateliers in die Ausstellungsräume der Mittelaltersammlung zurückgekehrt.

Restaurierung & Ergebnis

Der Alabaster wurde mit dem von uns bei der Restaurierung des Rimini-Altars entwickelten Reinigungsverfahren mit Laser und gipsgesättigten Wasser-Agar-Gelen gereinigt. Die originalen Farbflächen wurden mit dem Skalpell unter dem Mikroskop sorgfältig von Übermalungsresten und Schmutzschichten befreit. Von uns ergänzte Fehlstellen in Form und Farbe erhielten eine feine Punktretusche und bleiben so bei genauer Betrachtung des Kunstwerkes erkennbar.

Das Ergebnis ist grandios: Den weißen Gewandpartien mit sichtbarer Alabasteroberfläche steht nun bei den Köpfen und hautsichtigen Bereichen der Figuren eine faszinierende Feinmalerei von großer Virtuosität und höchster künstlerischer Qualität gegenüber, die der zeitgenössischen Tafelmalerei in nichts nachsteht. Wie kein anderes Werk Hans Multschers offenbart jetzt das Frankfurter Dreifaltigkeitsrelief schnitzerisch wie malerisch die enge Beziehung zur wirklichkeitsorientierten modernen niederländischen Tafelmalerei etwa eines Jan van Eyck oder Rogier van der Weyden und gibt Auskunft über die künstlerische Prägung des Bildhauers.

Dass während der gründlichen kunsttechnologischen Untersuchung, die die Restaurierung begleitete, zudem noch geklärt werden konnte, dass die segnende Hand Gottvaters und das linke Bein Christi, die immer wieder fälschlich als spätere Ergänzungen abgetan wurden, doch eindeutig zum originalen Bestand des Reliefs gehören, macht diese wichtige Restaurierung umso wertvoller.

Autor:

Dr. Stefan Roller

Leiter der Abteilung Mittelalter

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