Das Liebieghaus hat ein beeindruckendes Meisterwerk des spanischen Barock erworben – eine „Inmaculada Concepción“ von Pedro de Mena. Im dritten Beitrag zum Meisterwerk geben die Restauratoren des Liebieghauses Harald Theiss und Miguel González de Quevedo Ibáñez Einblicke in den aktuellen Stand der Restaurierungsarbeiten. Mit kunsttechnologischen Maßnahmen gelingt es ihnen, die Skulptur von ihren Übermalungen zu befreien und Schritt für Schritt ihre anspruchsvolle originale Farbfassung freizulegen.
Die kunsttechnologischen und naturwissenschaftlichen Voruntersuchungen an der 2021 erworbenen Inmaculada Concepción von Pedro de Mena haben gezeigt, dass die originale barocke Farbfassung der Skulptur nicht nur im Farbkonzept von der späteren Übermalung abweicht, sondern diese auch in ihrer künstlerischen und technischen Qualität weit übertrifft. Unter den späteren, lieblos aufgetragenen, kunststoffartig glänzenden Farbanstrichen verbarg sich ein Paradebeispiel hochkarätiger Fassmalerei von Pedro de Mena. Ein Ziel der Restaurierung war es daher, diese Übermalungen zu entfernen und die ursprüngliche Qualität der Fassung wieder sichtbar zu machen.
Auf Grundlage der Voruntersuchungen sowie umfangreicher praktischer Versuche wurde für jeden Teilbereich der originalen Bemalung auf der Figur ein individuelles, schonendes Verfahren zur Abnahme der Übermalungen durchgeführt. Mit Hilfe zahlreicher kleinteiliger Freilegungssondierungen konnte zudem überprüft werden, ob die originalen Farbschichten noch so weit erhalten sind, dass ihre Fehlstellen auch nach der Freilegung problemlos farblich geschlossen werden können.
Die bevorzugten Methoden zur Entfernung der Übermalungen reichten von der mechanischen Freilegung mit äußerst feinen mikrochirurgischen Skalpellen bis hin zur Verwendung geeigneter, weitgehend zu Gelen verarbeiteter Lösungsmittel. Auch saugende Kompressen und Mikroschwämme kamen zum Einsatz. Um möglichst präzise und sicher arbeiten zu können, wurden diese Freilegungsverfahren in monatelanger, akribischer Detailarbeit unter dem Stereomikroskop durchgeführt.
Zwischen der originalen Hautbemalung und der mehrschichtigen weiß-rosa Übermalung lag eine monochrome grau-beige Farbschicht, die keine eingearbeiteten roten Farbmodellierungen oder Feinzeichnungen von Augenbrauen oder Mund aufwies. Diese Schicht diente vermutlich als eine Art Haftgrund für die Neufassung. Diese visuell gut erkennbare „Leitschicht“ erleichterte die Orientierung bei der Freilegung erheblich.
Vorzustand mit Übermalung des Gesichts.
Teilweise freigelegte originale Hautmalerei innerhalb der roten Markierung. Der gelbe Pfeil zeigt die beigefarbene Malschicht zwischen Original und Übermalung.
Weitgehend bis auf die originale Malschicht freigelegte linke Gesichtshälfte. Deutlich zu erkennen sind die porenartige Textur des Farbauftrags sowie die aufwendigeren Modellierungen und Feinzeichnungen der Hautmalerei.
Zeitgenössische spanische Hautmalerei auf einem Gemälde Zurbaráns.
Im teilweise freigelegten Zustand wurde der qualitative Unterschied zwischen Original und der Übermalung besonders deutlich. Während die roten Modellierungen der originalen Hautbemalung lebensnah und sehr detailliert ausgeführt sind, wirken die späteren Übermalungen technisch einfacher, flächig und sind mit nur wenigen roten Akzenten versehen. Auch die virtuose, in die noch feuchte Hautfarbe eingearbeitete Feinzeichnung der Augenbrauen und Lippen der Originalfassung – die der Maltechnik hochrangiger spanischer Barockgemälde in nichts nachsteht – fehlt in den späteren Übermalungen vollkommen.
Besonders hervorzuheben ist, dass die ursprüngliche Hautmalerei im Gegensatz zu den Übermalungen nicht idealisierend glatt und porzellanartig glänzend ausgeführt wurde. Vielmehr strebten die Maler in der Werkstatt de Menas ein möglichst naturgetreues Erscheinungsbild der Fassung an. Dazu bedienten sie sich nicht nur einer lebensnahen Farbmodellierung, sondern auch der unterschiedlichen Texturen und Lichtreflexionen ihrer Farben. Mit einer zähflüssigen, mit dem Pinsel aufgestupften Hautfarbe wurde eine leicht raue, porige Oberflächenstruktur mit seidenmatten Lichtreflexen erzielt, die täuschend echt an menschliche Haut erinnert. Diese Technik findet sich in ganz ähnlicher Weise bereits bei der realistisch anmutenden Hautmalerei auf spätmittelalterlichen Skulpturen.
Die einzelnen, geschnitzten Haarsträhnen der Skulptur waren ursprünglich mit Leim und feinen Metallstiften an der Figur befestigt. Bei früheren Restaurierungen wurden diese Verbindungen jedoch gelöst und oft ungenau oder in falscher Position wieder angebracht. Die dabei entstandenen Fugen wurden grob und weit über das Original hinausreichend mit einer Kittmasse verspachtelt. Die originale Farbfassung der Haare war zudem unter mehreren schwarzbraunen Übermalungen verborgen, die den ursprünglich sehr präzise geschnittenen Haarsträhnen zusetzten und deren Form weich und unklar erscheinen ließen.
Zur Korrektur ihrer Positionierung sowie zur Entfernung der Übermalungen und Kittungen mussten die einzelnen Haarsträhnen von der Figur gelöst werden. Danach kamen die bildhauerische Qualität der Haare und die nuancierte fassmalerische Darstellung wieder zum Vorschein. Die originale Bemalung simulierte dunkelblondes, leicht sonnengebleichtes Haar mit Lichtreflexen. Dies wurde durch das partielle Aufstupfen von Goldpulver auf die noch feuchte, klebrige hellbraune Farbe, insbesondere an den Haarspitzen, erreicht.
Die Übermalungen des Mantels vereinfachten dessen Farbgebung stark, indem sie das rote Innenfutter und die blaue Außenseite mit einer dunkelblauen, glänzenden Harzölfarbe einheitlich überzogen. Durch die Entfernung der Übermalungen kam nach und nach die ursprüngliche Bemalung des Mantelfutters zum Vorschein, die wohl roten Samtbrokat mit floralem Ornament und blaue Seide darstellt.
Um die spezifische Textur des Samtflors sowie den teilweise metallischen Glanz eines solchen Textils malerisch zu imitieren, war ein mehrschichtiger Aufbau der Fassung notwendig. Zunächst wurde direkt auf die Grundierung ein Klebemittel aufgetragen, dem ein feines, sandartiges Einstreumaterial beigemischt war. Auf dieser Haftschicht wurde anschließend Blattsilber angelegt. Die so entstandene Versilberung erhielt dadurch die gewünschte velourartige Oberflächenstruktur und milderte den intensiven Lichtreflex der Versilberung leicht seidenmatt ab. Anschließend wurde die Oberfläche mit einem halbtransparenten roten Lack überzogen, wodurch ein rötlich-metallischer Farbeffekt, die sogenannte Lüsterung, entstand. Zuletzt wurde mit einem dickflüssigen, dunkelroten Lack das florale Muster auf die Oberfläche gemalt.
Die Farbgebung der Übermalungen auf der Außenseite des Mantels orientierte sich zwar an der ebenfalls blauen Fassung des Originals, die technische Qualität hätte jedoch kaum unterschiedlicher sein können. Wie bei den Übermalungen des Mantelfutters zeigten sich auch hier glänzende und opake Übermalungen, die eher jenen Anstrichen entsprechen, die nie die Absicht hatten, die illusionistische Wirkung eines Stoffes zu imitieren. Ganz anders verhielt es sich mit der originalen Farbfassung. Hier wurde eine damals weit verbreitete, zweischichtige Fasstechnik angewandt, die subtil die Materialillusion eines textilen Gewebes entstehen ließ.
Zunächst trug der Fassmaler sorgfältig eine gleichmäßig deckende, hellblaue Farbschicht auf. Diese bestand aus feinem Weißpigment und relativ grobkörnigen blauen Pigmenten, die mit tierischem Leim gebunden waren. Nach dem Trocknen dieser Schicht folgte eine weitere Farbschicht, die sich deutlich von der ersten unterschied: Sie war stärker mit kristallinen blauen Pigmenten angereichert. Der Auftrag erfolgte mit schnellen Pinselstrichen, die eine strähnig wirkende Oberflächentextur erzeugten und die darunterliegende, hellere Farbschicht nur teilweise abdeckten.
Aus der Nähe betrachtet wirkt die so entstandene Fassung zunächst fleckig und unsauber. Erst aus einiger Entfernung erschließt sich dem Betrachter die beabsichtigte optische Wirkung: Die Unregelmäßigkeiten in Textur und Farbauftrag verschmelzen zu einem Eindruck von lockerem, luftigem textilen Gewebe, das stark an das Erscheinungsbild fein gewebter Maulbeerseide erinnert.
Unter den späteren, kaltweißen Anstrichen des Mariengewandes verbarg sich eine aufwendig gemalte Textilimitation.
Die originale Bemalung zeigt einen matten, elfenbeinfarbenen Grundton, auf dem mit echtem Goldpulver parallele Linien gezogen wurden, die ein karoartiges Muster bilden – zweifelsohne eine Anspielung auf ein mit Goldfäden durchwirktes Moiré-Gewebe. Das Innenfutter des Kleides wurde ursprünglich mit einer grünlich schimmernden Lüsterung gestaltet, die ebenfalls unter den Übermalungen verborgen lag.
Die ursprüngliche Glanzversilberung auf dunkelrotem Poliment ist heute nahezu vollständig verloren, lediglich geringe Reste sind noch vorhanden. Das Restaurierungskonzept sah vor, die zahlreichen Kittungen, die dicke Übergrundierung sowie die Zweitfassung zu entfernen. Das war zum einen notwendig, weil diese nachträglichen Zutaten die feine Schnitzerei des Mondgesichtes unleserlich machten, zum anderen, weil auch die Glanzversilberung der Überfassung vollständig verloren gegangen war. Das Restaurierungskonzept sieht nun vor, die auf ein Fragment freigelegte Glanzversilberung des Mondes, zusammen mit der Rekonstruktion des Sockels, anhand der Befunduntersuchungen des Originals sowie vergleichbarer Werke von de Mena zu rekonstruieren. Selbstverständlich werden die noch vorhandenen Reste der Fassung zuvor schützend maskiert und die rekonstruierte Glanzversilberung durch eine aufgesetzte feine Punktretusche als spätere Ergänzung gekennzeichnet.
Durch die Freilegungsmaßnahme erhielt die durch spätere Übermalungen entstellte Inmaculada annähernd ihr ursprüngliches farbiges Erscheinungsbild zurück. Die nun wieder sichtbare Originalfassung de Menas besticht durch ihre hohe künstlerische und maltechnische Qualität. Diese basiert nicht nur auf der Farbwirkung, sondern bezieht auch die spezifischen Oberflächentexturen und Lichtreflexe der Fassmalerei mit ein, um die ohnehin sehr naturgetreue Schnitzerei des Künstlers noch lebendiger und realistischer erscheinen zu lassen.
In den folgenden Ausgaben von Forschung und Journal wird über die internationale fachliche Zusammenarbeit bei der Restaurierung der Mena-Inmaculada berichtet, die für die Integration der Fehlstellen und insbesondere für die Rekonstruktion der vollständig verlorenen Teile unserer Skulptur – wie Sockelkonstruktion und Strahlenkranz – unerlässlich sein wird.