Das Liebieghaus hat ein beeindruckendes Meisterwerk des spanischen Barock erworben – eine „Maria Inmaculada Concepción“ von Pedro de Mena. Ihre kunsttechnologische Untersuchung und Restaurierung eröffnet spannende Einblicke in die Zeit ihrer Entstehung und liefert neue Erkenntnisse über den Bildhauer.
Maria Inmaculada Concepción, Pedro de Mena, Málaga, nach 1674, Liebieghaus Skulpturensammlung
Die ikonographische Darstellung der Jungfrau Maria, die auf einer Mondsichel steht, wird als „Maria Inmaculada Concepción“ (Unbefleckte Empfängnis Mariens) bezeichnet. Diese war im Spanien des 17. Jahrhunderts so beliebt, dass sie zur Schutzpatronin des ganzen Landes erklärt wurde. Die Frankfurter Inmaculada kann aufgrund stilkritischer und kunsttechnologischer Merkmale eindeutig einem der bekanntesten und populärsten Bildhauer des spanischen 17. Jahrhunderts zugeordnet werden: Pedro de Mena.
Maria Inmaculada Concepción, Pedro de Mena, Málaga,
nach 1674
Polychromiertes Schwarzkiefer- und Oleanderholz, Glas, Echthaar, H. 65 cm x B. 25cm, T. 27 cm
Liebieghaus Skulpturensammlung, Inv. Nr. St.P. 969
Im Gegensatz zu den Gemälden von Velazquéz, Ribera oder Murillo wurden selbst die erstklassigen spanischen Skulpturen des sogenannten Siglo de Oro (Goldenes Zeitalter) in internationalen Museen bis vor nicht allzu langer Zeit eher stiefmütterlich behandelt. So ist es nicht verwunderlich, dass Werke von De Mena in fast allen bedeutenden europäischen Skulpturensammlungen außerhalb Spaniens fehlen. Jüngere internationale Ausstellungen zur spanischen Barockskulptur tragen zur Bekanntheit bei und haben gleichzeitig ein großes Kaufinteresse auf dem Kunstmarkt ausgelöst.
So war es mehr als ein Glücksfall, dass wir durch Zufall eine bislang unerkannte und der Fachwelt noch fremde Inmaculada de Menas in Frankfurter Privatbesitz entdeckten und für unsere Sammlung gewinnen konnten.
„Mit dieser herausragenden Skulptur der Maria Immaculata, der unbefleckt empfangenen Maria, kommt die ganze Mystik des Goldenen Zeitalters Spaniens ins Liebieghaus: Sie verbildlicht eines der charakteristischen Themen des spanischen Barock, meisterlich in Form und Farbe realisiert von Pedro de Mena, einem der besten Bildhauer des Barock.“
Pedro de Mena wurde 1628 in Granada als Sohn einer Bildhauerfamilie geboren. Als Schüler und Mitarbeiter von Alonso Canos (1601–1667) war er als Künstler sehr erfolgreich und führte bis zu seinem Tod 1688 eine eigene Werkstatt, zunächst in Granada, ab 1658 in Málaga. Diese baute er mehr und mehr zu einem regelrechten Unternehmen aus, das mit Hilfe lokaler Mittelsmänner auf der gesamten iberischen Halbinsel den Verkauf und Transport zahlreicher, gut bezahlter Auftragsarbeiten vor allem für den Hochadel und den Klerus abwickelte.
Inspiriert von seinem Lehrer Alonso Cano entwickelte de Mena seine unverwechselbare Bildhauertechnik und sein ästhetisches Konzept, das sich durch eine ausgefeilte Arbeitstechnik und die virtuose, lebensnahe Ausarbeitung seiner Werke auszeichnet.
Ecce Homo, Pedro de Mena
Kapelle San Telmo Palast Sevilla, Inv.Nr. ST E 24
© Fondo Gráfico Archivo IAPH (Santos Madrid, José Manuel)
Mitte des 17. Jahrhunderts fiel in Spanien die strikte Zunfttrennung zwischen Bildhauern und Malern. So war Pedro de Mena neben Alonso Cano einer der ersten Bildhauer, der nicht nur ein eigenes Farbkonzept für seine Werke entwarf, sondern dieses auch in seiner eigenen Werkstatt ausführte. Die bis dahin im spanischen Barock übliche Fassung der Skulpturen, deren Gewänder mit reich vergoldeten und stark ornamentierten Brokatgewändern bemalt waren, wurde nun auf strenge Farbflächen reduziert, die durch ihre hyperrealistische Anmutung bestechen. Diese fast täuschend echt wirkende Fassung der Figuren wurde durch eine virtuose Maltechnik erreicht, die nicht nur durch die Farbwirkung allein, sondern auch durch die Textur der einzelnen Farbschichten entsteht.
Pedro de Mena, La Magdalena Penitente (Büßende Maria Magdalena), 1664
Polychromiertes Holz, H. 173 cm x B. 55 cm x T. 97 cm, Gewicht: 35 Kg
Inv. Nr. E000577. Dauer-Leihgaben des Madrid, Museo Nacional del Prado an das Museo Nacional de Escultura de Valladolid (España)
© Archivo Fotográfico Museo Nacional del Prado. “Fotografía: Javier Muñoz y Paz Pastor, Museo Nacional de Escultura”
Darüber hinaus wurde die naturalistische Wirkung der Fassung durch die Kombination zusätzlicher Materialien auf die Spitze getrieben: Glasaugen sowie der Einsatz von Echthaar, Elfenbeinzähnen, Fingernägeln aus Horn, Dornenkronen aus Pflanzenzweigen oder echten Seilen und Schnüren gehören zum gängigen Repertoire der Farbfassungen von Menas Skulpturen.
Detail einer gut erhaltenen Echthaarapplikation der Wimpern an einer Skulptur von Pedro de Mena
© Fondo Gráfico Archivo IAPH (Santos Madrid, José Manuel)
Die Frankfurter Inmaculada hat die letzten Jahrhunderte leider nicht ohne Schäden und nachträgliche Veränderungen überstanden. Neben kleineren Ausbrüchen im Faltenwurf und in der Frisur sowie dem fast vollständigen Verlust der mit Echthaar applizierten Wimpern fallen sofort die flächigen, stark glänzenden und wenig virtuos ausgeführten Übermalungen jüngeren Datums auf, die die gesamte Figur überziehen.
Frankfurter Inmaculada. Vorzustand im stark übermalten Zustand. Deutlich sind kleinere Ausbrüche im Holz und der Bemalung zu erkennen. In einigen Ausbrüchen der Übermalung des Mantels ist die darunter liegende rote Originalfassung bereits sichtbar zum Vorschein gekommen.
Glücklicherweise haben erste restauratorische Untersuchungen gezeigt, dass unter diesen späteren Übermalungen die qualitätvolle Originalmalerei de Menas weitgehend erhalten geblieben ist. Die Abnahme der Übermalungen gehört zu den zeitaufwändigsten und risikoreichsten Arbeitsschritten der Restaurierung und muss sehr sorgfältig erfolgen, um das Original nicht zu beschädigen.
Frankfurter Inmaculada. Vorzustand. Die originale, sehr lebensnahe Farbfassung von höchster künstlerischer Qualität ist durch eine Übermalung vollständig verdeckt und verleiht der Skulptur heute ein minderwertiges puppenhaftes Aussehen.
Aus diesem Grund wurde 2023 ein mehrjähriges, von der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördertes Restaurierungs- und Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das nicht nur die Freilegung der originalen Bemalung der Frankfurter Inmaculada vorsieht, sondern auch eine weitgehende Ergänzung bzw. Integration der Fehlstellen in Form und Farbe. Die anstehenden Projektschritte, zu denen naturwissenschaftliche und kunsttechnologische Voruntersuchungen zum Materialaufbau der Skulptur, die Freilegung der Übermalungen sowie der Umgang mit den Fehlstellen gehören, können in den nächsten Jahren bei Forschung & Journal ausführlich und schrittweise verfolgt werden.