Der Sammler Reiner Winkler (1925‒2020)

Mit den Werken der reichen, vielfältigen Sammlung Reiner Winklers erhielt die Abteilung „Renaissance bis Klassizismus“ im Liebieghaus eine neue Grundlage und verdankt seiner beeindruckenden Großzügigkeit zugleich einen neuen Sammlungsschwerpunkt: die Elfenbeinskulptur des 17. und 18. Jahrhunderts.

Reiner Winkler war ein erfolgreicher Bauunternehmer, großer Musikliebhaber, Weltreisender, passionierter Taucher und Bergsteiger. Er war aber auch der weltweit wichtigste private Elfenbeinsammler. Er erwarb über 30 Jahre hinweg ca. 210 Elfenbeinwerke und formte so eine international bekannte Sammlung. Er begeisterte sich für die kostbaren Kunstwerke und freute sich über jede gelungene Erwerbung. „Kunst als Kapitalanlage war für mich nie ein Thema“, schrieb er 1984. Aufmerksam studierte er Auktionskataloge und pflegte den intensiven Kontakt zu Kunsthändlern in München, Bremen, aber auch in London, Paris und New York.

Nach dem Erwerb des ersten – gotischen – Elfenbeintäfelchens im Jahr 1962 entwickelte sich rasch sein konzentriertes Interesse am Elfenbein. Fortan waren es jedoch Statuetten, Figurengruppen, Reliefs und Gefäße des 17. und 18. Jahrhunderts, die seine Sammelleidenschaft weckten. Seine Sammlung wurde 1984 und 1994 in zwei Bestandskatalogen publiziert, verfasst von dem international führenden Elfenbeinexperten, Christian Theuerkauff, den er den guten Stern seiner Sammlung nannte.

Eine Sammlung auf Reisen

Die Sammlung war ursprünglich in einem unterirdischen Sammlungsraum und in Winklers Wohnräumen aufgestellt. Gastfreundlich lud er Museumskollegen in seine „Kunstkammer“ ein. Ebenso entgegenkommend reagierte er auf Leihwünsche, mit denen Museen für Ausstellungen auf ihn zukamen. Ausstellungen im In- und Ausland profitierten von seiner Aufgeschlossenheit, darunter auch das Liebieghaus. Denn hier wurden in unregelmäßigen Abständen Elfenbeinausstellungen vorbereitet. So 2001/2002, als Reiner Winkler 50 ausgewählte Elfenbeine für die Wanderausstellung „Elfenbein. Einblicke in die Sammlung Reiner Winkler“ auslieh, die zunächst im Deutschen Elfenbeinmuseum in Erbach, kurz darauf in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Albertinum, und schließlich in der Frankfurter Liebieghaus Skulpturensammlung zu sehen war.

Dieser Ausstellung folgte 2006 die Schau „Der Furienmeister“, zu der er das Herzstück seiner Sammlung, „Die Furie auf sprengendem Pferd“ von 1610, beisteuerte sowie eine Statuette der Eva und die Figurengruppe „Elia mit Engel“, die ebenfalls diesem Bildhauer oder seiner Werkstatt zugeschrieben werden. 2011 fand die Ausstellung „Elfenbein. Barocke Pracht am Wiener Hof“ in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Museum Wien statt, zu der Reiner Winkler wiederum generös Meisterwerke seiner Sammlung zur Verfügung stellte.

Reiner Winkler und die Liebieghaus Skulpturensammlung

Die Ausstellung „Splendid White“ wurde vom 2. Juni 2022 bis 8. Januar 2023 gezeigt und ist nun als dauerhafte Sammlungspräsentation im Liebieghaus zu sehen.

Seine immer beeindruckende Großzügigkeit führte im Jahr 1995 dazu, dass er die „Reiner Winkler Stiftung“ einrichtete, die sich seitdem auf die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der europäischen Kleinplastik des 17. und 18. Jahrhunderts konzentriert. Im selben Jahr machte Winkler seine Entscheidung bekannt, seine Sammlung dem Liebieghaus, dem er schon damals seit Jahren verbunden war, zum größten Teil als Schenkung zu überlassen. Der Vertrag zwischen dem Sammler und dem Städelschen Kunstinstitut, das die Skulpturensammlung verwaltet, konnte im Juli 2018 unterzeichnet werden. Kurz darauf wurden die in seinem Sammlungsraum befindlichen Kunstwerke ins Museum gebracht, um sie mit der Ausstellung „White Wedding. Die Elfenbein-Sammlung Reiner Winkler jetzt im Liebieghaus. Für immer“ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 160 Werke der Elfenbein-Sammlung wurden mit 24 Vergleichsstücken des Museums zusammengestellt. Am 26. März 2019 wurde die Schau feierlich und im Beisein des Sammlers, seiner Familie, Vertretern der geldgebenden Stiftungen und zahlreicher Elfenbeinspezialisten aus dem In- und Ausland eröffnet. Dass er dies noch miterleben konnte, erfüllt uns mit Dankbarkeit.

Reiner Winkler verstarb am 19. Mai 2020 kurz vor Vollendung seines 95. Lebensjahres. Die Sammlungsbestände, die noch in seinen Wohnräumen verblieben waren, wurden im Sommer 2020 ins Liebieghaus gebracht. Seit dem 2. Juni 2022 werden sie in der Ausstellung und neuen Sammlungspräsentation „Splendid White“ ausgestellt.

Ein bedeutungsvoller Sammlungsschwerpunkt für das Liebieghaus

Mit den Werken der reichen, vielfältigen Sammlung Reiner Winkler erhält die Abteilung „Renaissance bis Klassizismus“ im Liebieghaus eine neue Grundlage. Es kann nun im Liebieghaus die Kunstgeschichte der europäischen Bildhauerei in Barock und Rokoko in hoher und höchster Qualität und in ganz außerordentlicher Bandbreite vor Augen geführt werden. Das Museum erhält sogar einen neuen Sammlungsschwerpunkt: die Elfenbeinskulptur des 17. und 18. Jahrhunderts. Der Gründungsdirektor des Liebieghauses, Georg Swarzenski, hatte 1909 als sein Ziel genannt, „hervorragende oder charakteristische Werke der historischen Zeiten“ zu sammeln. Durch die Stiftung der Sammlung Reiner Winkler, der bedeutendsten Schenkung in der Geschichte der seit 1907 bestehenden Skulpturensammlung, sind wir diesem Ziel für die genannten Epochen mit gewaltigen Schritten nähergekommen.

Es war und ist uns eine Ehre und ein Privileg, ihn und seine Familie kennenzulernen und seine Begeisterung für Elfenbein zu teilen. Sein Vermächtnis ist uns eine Verpflichtung, seine Sammlung in seinem Sinne weiterhin wissenschaftlich zu erforschen, Ausstellungen anderer Häuser mit Leihgaben zu unterstützen und immer für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Autor:

Dr. Maraike Bückling

Ehemalige Leiterin der Abteilung Renaissance bis Klassizismus

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