Schon als Johann Heinrich von Dannecker einen Entwurf der „Ariadne auf dem Panther“ gezeigt hatte, eilte ihr ein großer Ruf voraus. Auch nach der Vollendung blieb die Faszination ungebrochen: Danneckers Ariadne ist die vielleicht populärste deutsche Skulptur des 19. Jahrhunderts.
Ihre Berühmtheit können wir uns heute kaum noch vorstellen: Lange vor der Erfindung des sogenannten Merchandising wiederholte man das Motiv der „Ariadne auf dem Panther“ hundertfach in verschiedenen Größen, in Bronze, Porzellan, Gips, Elfenbein und Marmor. Auf historischen Postkarten aus Frankfurt sehen wir neben dem Bahnhof, dem Römer oder dem Gesellschaftshaus des Zoologischen Gartens meist auch die Ariadne. Sogar auf einem Werbezettel für Frankfurter Würstchen prangt das Signet der Ariadne. Obwohl es für eine Verfilmung in Hollywood noch nicht gereicht hat, stand Danneckers Meisterwerk immerhin bereits im Dienste Ihrer Majestät. Wenn Sie das nächste Mal James Bonds „Sag niemals nie“ sehen, achten Sie auf den Anfang: Nach 7 Minuten und 25 Sekunden wird die Skulptur als Bildungsgut zitiert. Ein Verweis auf den britischen Action-Thriller scheint nicht ganz abwegig, wenn Sie von ihrem dramatischen, wechselvollen Schicksal erfahren.
1803 begann Johann Heinrich von Dannecker die Arbeit an seinem Werk, ein Jahr später gab er einen Marmorblock in Auftrag, ein weiteres Jahr später stellte er den Entwurf aus, ein Gipsmodell. Im Teutschen Merkur lesen wir eine Rezension, die den Künstler überschwänglich lobte. Das ermutigte ihn zu einem ungewöhnlichen Schritt: Um als Hofbildhauer ein Werk zu beginnen und auszuführen, musste er den Kurfürsten Friedrich II. um Erlaubnis bitten. Dieser gab dem Gesuch statt, interessierte sich jedoch zu keinem Zeitpunkt für das Werk. Dannecker bat daraufhin im April 1805 darum, die Skulpturengruppe frei verkaufen zu dürfen. Fünf Jahre später traf endlich der Marmorblock ein. Er wurde zunächst von Hilfskräften bearbeitet. Dannecker selbst arbeitete ab 1812 zunehmend daran, mit bedingungslosem Willen: „Ich trette von dem Vorsaz, es zu meinem Hauptstück meines ästhätischen Daseyns zu machen keinen Augenblick zurück.“
In Simon Moritz von Bethmann, im Ausland „le roi de Francfort“ genannt und einer der einflussreichsten Bürger Frankfurts, fand Dannecker einen gewichtigen Fürsprecher. Dieser leitete nicht nur das international tätige Bankhaus seiner Familie, sondern förderte ebenfalls die Gründung verschiedener Bildungsinstitutionen. Im Jahr 1805 besuchte Bethmann den Bildhauer Dannecker in seiner Werkstatt, wo er den Entwurf der „Ariadne auf dem Panther“ bewunderte. Fünf Jahre später unterzeichnete er den Kaufvertrag für die Skulptur, der auch wegen der Summe bedeutsam war: Die Gruppe kostete 11.000 Gulden, was heute ca. 200.000 Euro entspricht. In einem Passus verpflichtete sich Dannecker dazu, die Gruppe nicht an jemand anderen zu verkaufen. Am 7. Juni 1814 war das Werk schließlich fertig. Als die Ariadne Stuttgart 1816 verließ, begleiteten die Bürger sie mit Klagereimen: „Traur’, Oh Stuttgart, traur’ im Grame! Traur’ um deine schönste Dame.“
Bethmann ließ einen längsrechteckigen Bau, das Odeon, errichten. Als erster Museumsbau in der Geschichte Frankfurts wurde er zu einer Hauptattraktion der Stadt. Bethmann schrieb in seinem Dankesbrief an Dannecker am 13. Juli 1816: „Allgemeine Bewunderung ist das Loos der Ariadne, Einheimische und Fremde huldigen ihr täglich. Es ist eine wahre Wallfahrt nach meinem Museum.“ Nachdem die Stadt das Grundstück gekauft hatte, wurde die Ariadne im Mai 1856 zusammen mit den Gipsen und Thorvaldsens Fries in das „Ariadneum“ überführt – einen Annex am Landhaus der Familie Bethmann an der Friedberger Landstraße. Zum Geburtstag von Danneckers Skulptur am 7. Juni 1941 stiftete Moritz von Bethmann der Stadt die Ariadne-Gruppe, zusammen mit allen weiteren im Ariadneum versammelten Werken. Offenbar war geplant, das Gebäude als Museum und Festsaal zu nutzen. Man beließ daher alle Skulpturen in dem Bau. Es folgten die dramatischen Ereignisse der Brandnacht vom 4. auf den 5. Oktober 1943, in der das Ariadneum zerstört und Danneckers Meisterwerk stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Um ihre Substanz so gut wie möglich zu erhalten, steckte man die Skulptur vorläufig in einen Gipsmantel – nach damaligem Wissensstand die beste Maßnahme.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges debattierte man über die Restaurierung der Ariadne und versuchte festzustellen, inwieweit das Kunstwerk das Feuer überstanden hatte. Schnell wurde klar, dass die Plastik stark beschädigt war. Deshalb wurde immer wieder überlegt, das Werk zu restaurieren – aber auch immer wieder davon abgesehen. Erst im Jahr 1977 lösten Restauratoren die Gruppe aus ihrem Gipsmantel und zwar unter gleichzeitigem Sichern der Oberfläche bzw. Abnehmen der gefährdeten Teile. Alle Stücke wurden im Wasserbad von Schmutz und Ruß gereinigt und im Kieselsäurebad vorgefestigt. Anschließend brachte man die über 1.000 Einzelteile nach München in die Werkstatt der Glyptothek. Dort wurde ein Edelstahlgerüst konstruiert, auf das die wiederholt gehärteten Teile geradezu aufgefädelt wurden, so dass die Plinthe und der Panther kein Gewicht mehr trugen. Erhaltene Teile wurden angefügt, andere ergänzt. Zugleich wurde eine Gussform hergestellt: Die Ariadne in unserem Garten und im Hof der Staatsgalerie Stuttgart entstammen dieser Form. Trotz der Restaurierung bleibt die Gruppe bei jeder Bewegung gleichwohl immer noch ein gefährdetes Werk, denn der Marmor ist zu Kalk verbrannt.
Im Juni 1978 kam die Ariadne nach ihrer Restaurierung wieder zurück ins Liebieghaus. Damit war zum einen ein Kunstwerk von internationalem Rang wiedergewonnen. Zum anderen markiert dies die Gründung der neuen Abteilung des Klassizismus. Seitdem stand die Ariadne im Erdgeschoss der Villa, bis wir im Jahr 2007 über eine Neupräsentation der Sammlung nachdachten. Wir entschieden, die Skulptur in der Abteilung der Antike aufzustellen. Dass sie dort steht, hätte Dannecker selbst sicherlich begrüßt. Er sah überaus selbstbewusst einen Rundtempel vor, der einen direkten Bezug zu einer der berühmtesten antiken Skulpturen herstellte: „Ich dachte mir eine Rotunde wie viele antike Timpel […] in der Mitte die Ariadne, vier Fenster seyn an demselben oben unter der Kuppel zu ihrer Beleuchtung; so, daß das eine gegen Norden das Licht allein gibt. Die drei übrigen mit einem rothen Vorhang bedeckt werden um einen schönen Reflex auf das Bild zu erhalten. In Florenz sahe ich auf diese Weise die Venus von Medici beleuchtet und gestehe, daß ich nie eine schönere weichere Beleuchtung in meinem Leben gesehen habe.“