Wien
um 1725
Blei-Zinn-Legierung
Höhe 63 cm
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Die schlanke Gestalt des jugendlichen Apoll lehnt, den linken Fuß oberhalb der Baumwurzel aufgestützt, an einem Baumstumpf. Sinnend blickt er zur Linken in die Richtung seiner Hand, in der er einen nur in einem Reststück erhaltenen Gegenstand hält. Das Vorbild für die Komposition Georg Raphael Donners stellte ein Werk in der fürstlichen Sammlung von Liechtenstein dar: Diese Sammlung bewahrt die Bronzeskulptur „Apoll und Cupido“, die François Duquesnoy (1579–1643) zwischen 1630 und 1640 schuf. Bald jedoch galt diese Gruppe als Werk der Antike. Vermutlich aufgrund dieses Irrtums schrieb Donner der Bronze jene Beispielhaftigkeit zu, die allgemein antiken Skulpturen vorbehalten war. Duquesnoys Apoll unterrichtet Amor im Bogenschießen. Donner greift nur die Hauptfigur heraus und verzichtet auf den kleinen Liebesgott. Indem er also den erzählerischen Handlungszusammenhang unterbindet, bereinigt und klärt der Bildhauer die vermeintliche Antike.
Donners Werk nimmt eine Sonderposition in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein: Er trat mit Bildwerken klarer Konturierung und organischer Bewegung dem Illusionismus, dem Pathos und der Bewegtheit des Barock entgegen. Den Nachlass des früh verstorbenen Bildhauers erbte sein Bruder Matthäus (1704–1756). Er übergab die Kleinplastik Georg Raphaels an die Wiener Akademie. Als Modellsammlung entfaltete sie hier eine Vorbildfunktion. Das Werk Georg Raphael Donners nahm, obwohl der Künstler selbst nie an der Akademie gelehrt hatte, stilbildenden Einfluss auf die Wiener Bildhauerei.