Trauernder Evangelist Johannes
Meister der Pilsener Kreuzigungsgruppe

Nürnberg
um 1440

Laubholz, Reste originaler und barocker Farbfassung
Höhe 74 cm

Teilen

Teilen

Die Skulptur dürfte aus einem Altarschrein stammen und bildete mit den Figuren einer trauernden Maria und dem ans Kreuz geschlagenen Christus eine Kreuzigungsgruppe. Der Schnitzer gehört zu jener Generation von Künstlern, die um 1430 begann, mit einem frischeren Blick auf die Wirklichkeit und mit neuen formalen Lösungsvorschlägen die routiniert angewandten Muster des Schönen Stils zu erneuern. Statt auf radikalen Bruch wie einige seiner Zeitgenossen setzte er aber eher auf vorsichtige Weiterbildung der Tradition. Dabei legte er Wert auf Gefühl und Ausdruck, entwickelte ein geradezu elegisches Pathos.

Wie so oft, ist auch dieser Meister namentlich nicht fassbar. Doch lässt er sich in Nürnberg verorten, einem der führenden Kunstzentren der Zeit im süddeutschen Raum. Dort selbst wie im fränkischen Umland hat er ein relativ großes Œuvre hinterlassen, in dessen Chronologie die Johannesfigur ganz am Anfang steht. Möglicherweise gehörte sie zum Choraltar der Friedhofskapelle in Langenzenn, unweit Nürnbergs. Im dortigen Schrein befindet sich heute noch ein gekreuzigter Christus, der in Stil, Größe und Entstehungszeit zum Frankfurter Johannes passen könnte.

Der Notname des Schnitzers leitet sich von den Bildwerken der um 1450 entstandenen Kreuzigungsgruppe in der Bartholomäuskirche im böhmischen Pilsen (Plzeň) ab, wohin er um diese Zeit wohl übersiedelte. Denn nur dort, nicht im Nürnberger Raum finden sich in der nachfolgenden Zeit weitere zuschreibbare Arbeiten. Somit dokumentiert der Meister des Frankfurter Johannes exemplarisch die große überregionale Bedeutung und Wirkung der Nürnberger Kunst der Spätgotik.