Würzburg
um 1520
Grauer Sandstein, Reste alter Farbfassung
Höhe 156,5 cm
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Die reliefhaft flach ausgeführte Figur diente ursprünglich als Hausmadonna an der Fassade der Stiftskurie des Neumünsters in Würzburg. Wie so oft gibt es keine Schriftquellen darüber, wer die Skulptur wann und für wen gemacht hat. Doch ist sich die Fachwelt einig, dass sie um 1520 in der Werkstatt Tilman Riemenschneiders entstand, dem heute populärsten deutschen Bildhauer der Spätgotik. Tilman kam 1483 an den Main und entwickelte sich im Lauf der Jahre zum erfolgreichsten Bildhauer Würzburgs und des Bistums. Zugleich erwarb er sich großes gesellschaftliches Ansehen, das sich in der Übertragung politischer Funktionen äußerte. Zwischen 1504 und 1520 war er unter anderem Ratsmitglied und Bürgermeister – und das zu einer Zeit, in der sein Betrieb blühte.
Dass öffentliche und berufliche Karriere nebeneinander funktionierten, lag an der effektiven Organisation der Werkstatt: Die Gesellen imitierten den Stil des Meisters, so dass die „Ware“ Riemenschneider als solches erkennbar blieb, auch wenn er selbst gar nicht oder nur zum Teil Hand anlegte. Ab 1510 wurden zahlreiche Werke nur noch von Mitarbeitern ausgeführt. Die gesamte Produktion seit Anfang des 16. Jahrhunderts war auf Wiederholbarkeit bestimmter Figurentypen, einzelner Gewandmotive oder ganzer Kompositionsmuster ausgerichtet.
Auch die Liebieghaus-Madonna folgt einem Schema, das bei etlichen Madonnenfiguren wiederzufinden ist. Der Grund für diese auch für andere „Großbetriebe“ der Zeit typische Praktik lag nicht nur im Wirtschaftlich-Rationellen. Es ging auch um Wiedererkennbarkeit bewährter und „heiliger“ Bilder, deren Aura sich auf die neuen Werke übertragen sollte.