Mumienbildnis eines Mädchens

Römisches Ägypten
120–150 n. Chr.

Enkaustik auf Sykomorenholz
Höhe 35,5 cm

Teilen

Teilen

Auch zur Zeit der griechischen und römischen Fremdherrschaft in Ägypten wurden die alten Bestattungssitten aus pharaonischer Zeit nicht aufgegeben. So wurden die Verstorbenen weiterhin einbalsamiert und in Form der Mumie beigesetzt. Als neues Element wird zuweilen das auf eine Holzplatte gemalt – sehr naturgetreu gehaltene – Porträt des Toten in den Mumienkörper eingefügt.

Auf einer Sykomorenholzplatte ist das lebhafte Bildnis eines jungen römischen Mädchens, deren schönes Haar mit einem Blattkranz geschmückt ist, aufgemalt. Die großen Augen sind von kräftigen Wimpern gerahmt. Der Blick ist zur Seite und in die Ferne gewendet und begegnet dem Betrachter nicht.

Von den antiken Schriftstellern erfahren wir, dass die Tafelmalerei schon um 350 v. Chr. zur Vollendung gebracht worden war. Wegen der Vergänglichkeit des Materials sind jedoch die Meisterwerke der hoch geschätzten antiken Maler vollständig verloren. Umso wichtiger wiegt es, dass sich die Mumienbildnisse im heißen und trockenen Klima Ägyptens erhalten haben. Sie stehen in der Tradition der griechischen Werkstätten und legen Zeugnis von der Blüte der antiken Malerei ab. Dem Gesicht des Mädchens ist durch dunkle und helle Bereiche (chiaroscuro) Plastizität und Tiefe verliehen. Unter den feinen Stirnlocken liegt ein zarter Schattenwurf, der Nasenrücken ist durch ein Glanzlicht betont, der Nasenschatten durch Schraffur herausgearbeitet. Der römische Schriftsteller Plinius (um 23–79 n. Chr.) berichtet, dass die bedeutendsten Tafelmaler auch mit der Farbfassung der Marmorskulptur beauftragt waren. Tatsächlich müssen wir uns die antike Skulptur ab um 350 v. Chr. mit einer differenzierten Bemalung vorstellen, so wie sie uns das Mumienbildnis vor Augen führt.