Fragment eines weiblichen Kopfes

Griechenland
100/70 v. Chr.

Marmor
Höhe 25 cm

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Als Höhepunkt der griechischen Kunst gilt die Epoche zwischen den Perserkriegen und den Eroberungszügen Alexander des Großen. Für diese Phase im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. hat sich der Begriff „griechische Klassik“ eingebürgert. Da jedoch nur sehr wenige Original-Kunstwerke aus dieser Zeit erhalten sind, hat sich der europäische Kunstbetrachter seit der Renaissance ein eigenes Bild konstruiert. Dieses Bild wird maßgeblich durch spätere Wiederaufnahmen geprägt.

So folgt der eigentlichen Klassik sehr bald ein erster „Klassizismus“: Schon 200 Jahre nach ihrem Ende beobachten wir die ersten Nachempfindungen der idealisierten Formen. Und bereits in der frühen römischen Kaiserzeit – angeregt durch Kaiser Augustus – wird ein zweiter Klassizismus entwickelt. So verwundert es kaum, dass der schöne Marmorkopf, dessen Wendung von Sentiment und „erhabener Ruhe“ geprägt ist, zunächst als Arbeit des 5. oder 4. Jahrhunderts v. Chr., also der Klassik angesehen wurde. Die eng stehenden Augen und das schmale Gesicht, das auf einem kräftigen Hals sitzt, verraten uns heute, dass der Kopf im 1. Jahrhundert v. Chr., in einer klassizistischen Haltung der Spätphase der griechischen Kultur, entstanden ist.

Die Gesichtszüge sind elegant und von klarem Schnitt, der Mund – als wolle er eine Empfindung zum Ausdruck bringen – leicht geöffnet. Wangen und Stirn sind gespannte, beruhigte Flächen. Die Augen wirken heute scheinbar in sich gekehrt, die Bemalung aber zeigte ursprünglich ihre konkrete Blickrichtung. Eine schattierende Fassung der Haut erweckte den Eindruck natürlichen Lebens.