Kreuzigung Christi

Lüttich
um 1100

Elfenbein
Höhe 14 cm

Teilen

Teilen

Wie so viele Elfenbeinreliefs war auch diese Tafel einst Teil eines Buchdeckels. Die Darstellung verbildlicht den Zusammenhang von christlichem Abendmahl und Opfertod Christi. Es zeigt Christus am Kreuz mit seiner Mutter Maria und seinem Lieblingsjünger Johannes. Seitlich symbolisieren zwei Medaillons mit den trauernden Sonne und Mond in Menschengestalt die himmlische Anteilnahme am Tod Christi. Der Erdhügel, auf dem Maria und Johannes stehen, grenzt einen zweiten Bereich ab. Dort führt der Kreuzesstamm bis zum unteren Reliefrand weiter, aus dem ein Baumstumpf mit einem Kelch emporwächst.

Kelch und Baumstumpf hängen inhaltlich eng mit dem Kreuz zusammen: Letzterer bezieht sich auf den paradiesischen Baum des Lebens (lignum vitae), aus dem laut Legende das Kreuz gemacht wurde. Ersterer verweist auf das Abendmahl, dessen Feier Christi Tod am Kreuz vergegenwärtigt. Die rechte Hand Gottes über dem Haupt Christi signalisiert in diesem Zusammenhang, dass Gott den Tod seines Sohnes als Versöhnungsopfer für die Sünden der Menschen annimmt – ein zentraler Gedanke der Abendmahlsfeier. Neben dem Kelch knien die Stifter: links ein König, rechts ein Abt. Die Komposition folgt sogenannten Widmungsbildern, wie sie normalerweise ins Innere von Handschriften gemalt sind.

Als Entstehungsort des Reliefs gilt Lüttich. Die Datierung schwankt zwischen 1100 und 1150, wobei die Argumente für den früheren Ansatz mehr überzeugen. Demnach handelt es sich bei dem König um Heinrich IV., der nach seiner Absetzung 1105 zu Bischof Odbert nach Lüttich flüchtete. In dem Abt wurde jüngst Theoderich vermutet, der Schützling Odberts, der dem königsnahen Kloster St. Trond vorstand und von Heinrich Unterstützung bei der Sicherung der Klosterrechte erhielt.